“Über Gyaku und Nage (Die Unerlässlichkeit des Studiums des Gōjū-ryū)” — von Mabuni Kenwa, 1938

“Da bis zur gegenwärtigen Zeit [1938] in Tokyo nur Teilbereiche des Karate vorgestellt wurden, glauben die in Tokyo trainierenden Leute, dass Karate nur aus Schlag- und Tritttechniken besteht. Von Gyaku-waza (Befreiungen und Konter, inkl. Hebeltechniken, Transport- und Sistiergriffe) und Nage-waza (Wurftechniken) nehmen sie an, dass diese nur im Jūjutsu und Jūdō vorhanden seien.”

“Diese Denkweise ist bezüglich des Karate an sich außerordentlich kontraproduktiv, und es kann sich dabei nur um einen Mangel an Kenntnis oder Einsicht handeln. Jedenfalls resultierte aus dieser Denkweise, dass sich bei dem in Tokyo eingeführten Karate nur einen geringer Teil der Gesamtheit des Karate entwickelte. Obwohl dies nun mal notgedrungen so passierte, ist dies in Bezug auf die Verbreitung des Karate-dō eine außerordentlich unbefriedigende Angelegenheit.”

“Die Zukunft des Karate-dō im Auge empfehle ich, auf keinen Fall engstirnig an der Nussschale eines Stils und einer Schule festzuhalten, sondern vielmehr das Karate als Ganzes synthetisch zu erforschen.”

“In den bis zur gegenwärtigen Zeit in Tokyo nicht vorgestellten Kata des Goju-ryu findet sich eine interessante Vielfalt der Gyaku-waza und Nage-waza des Karate, und die Vertreter dieses Stils versäumen es nicht, Forschungen bezüglich dieser Gyaku-waza und Nage-waza anzustellen. (Ein Beispiel hierfür ist eine Wurftechnik als Befreiung aus dem Doppel-Nelson, die sich in einer Kata des Goju-ryu findet [Anm.: siehe Erklärung S. 208]).”

“Da im Goju-ryu Studienmaterial (d.h. Kata) in Hülle und Fülle vorhanden ist, sollten die Schüler des Karate diesen Stil detailliert erforschen. Der kraftvolle japanische Geist* offenbart sich dabei nur durch die Unabhängigkeit in der Herangehensweise.”

Mabuni Kenwa und Nakasone Genwa, 1938, Ss. 208 – 209.
Wurftechnik als Befreiung aus dem Doppel-Nelson, wie unterrichtet in der Kururunfa des Goju-ryu. Aus: Mabuni und Nakasone, 1938.

* Nihon Seishin: In der frühen Shōwa-Ära sehr populäres Thema, der den japanischen Geist vom historischen, ethischen oder philosophischen Standpunkt aus betrachtet, oft im Zusammenhang mit nationalistischen oder militärischen Implikationen.

Anmerkung: Dieser Text wurde 1938 von Mabuni Kenwa veröffentlicht. In sozialen Medien findet er sich zahlreich geteiltes, aber inhaltlich gekürztes Zitat, wobei der von Mabuni intendierte Zusammenhang zwischen Goju-ryu und den technischen Kenntnissen jener Zeit komplett unterschlagen wird. Heute, 80 Jahre später, weiß es übrigens sowieso jeder.

Originaltext:

▲逆及び投げに就いて(剛柔流研究の必要)

従来東京には空手の僅かに一部分しか紹介されて居ないので、東京で空手を修業した人々は空手は當身と蹴技ばかりの様の思ひ、逆技や投技と云へば柔術や柔道とのみ考へて居るのは甚だ空手そのものに對する認識不足と言はなければなりません。それは空手の紹介が僅かにその半面しかなされて居ない實状(実状)から生じた止むを得ない認識不足であるとは言へ、空手道の普及上甚だ遺憾なことであった。空手道の将来を思ふ志ある人は、決して一流一派の殼にとぢこもろ偏狭な心を持たず、空手全体を綜合的に研究されんことをお奬め致します。

剛柔流(派)の型には従来東京に紹介されて居ない空手の投技や逆技の面白いものが種々あらし、その流派の人々は投技や逆技についての研究も怠つて居りません。(羽交締めをはずす投技は剛柔派の型にある一例です。) 剛柔流には進んで研究すべき材料が豊富にあるのですから、空手修業者は「自由にして強い日本精神」を以て大いに進取の氣象を発揮して頂きたいと思ひます。

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