Über die Herkunft der „Hashiri-kakari“ im Mugai-ryū 無外流における「走り懸り」の起源について

Einführung

13mugai-ryū enthält eine Kategorie von Techniken, die im Gehen ausgeführt werden. Diese werden Hashiri-kakari genannt, d.h. soviel wie „Laufangriffe“. Laut Hamamoto Sensei wurden diese von der Polizei entwickelt. Grund genug für mich die Sache in genauen Augenschein zu nehmen. Dafür müssen wir uns in die Zeit nach Gründung der Meiji-Regierung im Jahre 1868 begeben.

Zu jener Zeit wurde das feudale Stadtmagistratsbüro von Nord-Edo zur neuen „Strafrechtsbehörde“ umgestaltet, dem höchsten Rechtsprechungsorgan der Meiji-Regierung. Im folgenden Jahr wurde diese Strafrechtsbehörde als „Zentrale Justizbehörde“ neu organisiert, und schließlich 1871 als modernes Justizministerium vollendet. In dieser Form existierte es bis 1948 weiter.

Seit der Gründung im Jahre 1868 wurden die für die Beaufsichtigung des Stadtgebietes eingesetzten Polizeibeamten in dieser Behörde organisiert. Bei den rekrutierten Personen handelte es hauptsächlich um Mitglieder der ehemaligen Samurai-Klasse. Im Februar 1870 wurde damit begonnen, diese im Kenjutsu und Jūjutsu, respektive Toritejutsu, zu unterrichten.

Der Zen-artige Ausdruck "bankyō mu-u" - i.e. "Eintausend Spiegel, und darin kein Hase." Gefunden wurde dieser in einem Technikregister des Jikyō-ryū, DEM wichtigsten Urspung des Mugai-ryū. (Quelle : Nakagawa Shin'ichi: Tsuji Mugai-den. Mugai-ryû Iai. 1938)

Der Zen-artige Ausdruck “bankyō mu-u” – i.e. “Eintausend Spiegel, und darin kein Hase.” Gefunden wurde dieser in einem Technikregister des Jikyō-ryū, DEM wichtigsten Urspung des Mugai-ryū. (Quelle : Nakagawa Shin’ichi: Tsuji Mugai-den. Mugai-ryû Iai. 1938)

Zuständig für die Kenjutsu-Ausbildung waren anfänglich Shimoe Hidetarō (1848-1904) vom Hokushin Ittō-ryū und Momonoi Shinzō (1825-1885) vom Kyōshin Meichi-ryū. 1871 wurden diese entlassen und die Ausbildung im Kenjutsu zentral innerhalb der Behörde weitergeführt. Das von den Provinzregierungen jener Zeit eingesetzte Kenjutsu folgte im Großen und Ganzen ebenfalls dieser Zentralisierung. Die Fechtmeister der ausgehenden Tokugawa-Zeit konnten ihren Lebensunterhalt somit nicht mehr über das Schwerttraining bewerkstelligen und begannen, das Fechten im privaten Bereich weiterzuführen.

Im Januar 1874 wurde in Tōkyō das Hauptstadt-Polizeipräsidium (keishichō 警視廳) gegründet, wobei die Polizisten auch mit Schwertern bewaffnet wurden. Während der Satsuma Rebellion von 1877 dann nahmen vom Hauptstadt-Polizeipräsidium ausgewählte sogenannte Battō-Corps teil, die sich besonders im Nahkampf mit dem Schwert auszeichneten. Der bewaffnete Widerstand altgläubiger Samurai endete zwar mit der Satsuma Rebellion, jedoch führten die Erfolge der polizeilichen Battō-Corps zu einer Re-evaluierung des Kenjutsu. 1879 wurde schließlich beschlossen die Polizeibeamten gezielt im Kenjutsu auszubilden.

Der Präsident des Hauptstadt-Polizeipräsidiums jener Zeit war Mishima Machitsune (1835-88), Sohn eines Satsuma Gefolgsmanns und Schwertschüler des Satsuma Kommandanten Ijichi Masaharu. Mishima bemüht sich um den Aufbau polizeilicher Methoden und ernannte zuständige Ausbilder zur Betreuung der Kampfkünste im Hauptstadt-Polizeipräsidium für die Polizeiausbildung im Kenjutsu, Jūjutsu, und Toritejutsu.

Im Bereich des Kenjutsu waren die folgenden Personen die ersten Fechtlehrer:

  • Kajikawa Yoshimasa, vom Ono-ha Ittō-ryū,
  • Ueda Umanosuke (1831-1890), vom Kyōshin Meichi-ryū, und
  • Henmi Sōsuke (1843-1894), vom Tatsumi-ryū.

Diese drei zählten noch lange zu den Spitzenkräften. Es folgten weitere Fechtmeister der ausgehenden Tokugawa-Zeit, wie:

  • Shimoe Hidetarō (1848-1904), vom Hokushin Ittō-ryū,
  • Kakimoto Seikichi (1822-?), vom Shinshinkage-ryū,
  • Tokunō Sekishirō (1842-1908), vom Shinshinkage-ryū,
  • Mihashi Kan’ichiro (1841-1909), vom Nitō-ryū,
  • Sakahe Daisaku (1836-1908), vom Kyōshin Meichi-ryū,
  • Shingai Tadaatsu (1842-1920), vom Kubota-ha Tamiya-ryū, und
  • Kanematsu Naokado, vom Tatsumi-ryū.

Das Schwertfechten des Hauptstadt-Polizeipräsidiums erlebte so quasi sein goldenes Zeitalter.

Zum Andenken an gefallene Polizisten der Satsuma Rebellion wurde 1877 der Yayoi Schrein im Kitanomaru Park in Tōkyō Chiyoda erbaut, welcher auch allgemein dem Gedenken von im Dienst gefallenen Polizisten und Tōkyōter Feuerwehrmännern dient. Ab 1884 hielt das Hauptstadt-Polizeipräsidium hier jedes Jahr am 13. und 14. November Gedenkfeiern für gefallene Polizeibeamte mit Bujutsu-Vorführungen ab (heute finden diese im Nippon Budōkan statt). 1885 kam es erstmals zu einem großen Fechtwettkampf mit 181 Paarungen unter Teilnahme von Fechtern aus dem ganzen Lande.

1886 dann wurde eine große Vorführung der Kampfkünste des Hauptstadt-Polizeipräsidiums veranstaltet, wobei Kata der verschiedene Stile vorgeführt wurden. Wegen der großen Anzahl von Kata hatte man entschieden, das Wesentliche daraus zu kompilieren und festzulegen. Die technische Kommission zur Auswahl der verschiedenen Fechtmethoden wurde aus der Gruppe der Ausbilder des Hauptstadt-Polizeipräsidiums bestellt, darunter Ueda Umanosuke, Kajikawa Yoshimasa, Henmi Sōsuke, Tokunō Sekishirō, und Shingai Tadaatsu. Neben Fechtmethoden wurden auch Methoden des Jūjutsu und des Hayanawa kompiliert. Dies war der Ursprung des Keishichō-ryū 警視庁流, dem Stil des Hauptstadt-Polizeipräsidiums. Da diesem die Trainingsleitung der Polizei auf nationaler Ebene unterlag stand das Keishichō-ryū auf einen Schlag im Mittelpunkt. In gewissem Sinne wurde das Hauptstadt-Polizeipräsidium so zum Zentrum der Kenjutsu-Welt jener Zeit. Es wurde hier der Versuch unternommen, die Fechtmethoden wie auch andere polizeirelevante Methoden aus der alten Struktur feudaler Stilfraktionen auf eine gemeinsame nationale Ebene zu hieven.

Die Ausbilder im Jahre 1888

Das Foto unten stammt aus der Oktober 1921 Ausgabe des Magazins „Jikei“ (wörtlich „Selbstschutz“). Es zeigt alle Ausbilder der Kampfkünste des Hauptstadt-Polizeipräsidiums im Jahre 1888.

Die zuständigen Ausbilder zur Betreuung der Kampfkünste im Metropolitan Police Department für die Polizeiausbildung im Kenjutsu, Jūjutsu, und Toritejutsu

Die zuständigen Ausbilder zur Betreuung der Kampfkünste im Metropolitan Police Department für die Polizeiausbildung im Kenjutsu, Jūjutsu, und Toritejutsu

    • Vordere Reihe von rechts: Asami Katsumitsu, Kanatani Genryō, Hisatomi Tetsutarō, Shingai Tadaatsu (1842-1920), Sonobe Hisagorō, Naka Danzō, Tani Torao, Tobari Takisaburō (1872-1942), Yamashita Yoshitsugu (1865-1935, Kōdōkan Jūdō), Uehara Shōgo (Ryōi Shintō-ryū)。
    • Zweite Reihe von rechts: Natō Takaharu (1862-1929, Hokushin Itō-ryū), Mihashi Kann’ichirō (1841-1909, Musahi-ryū), Miyabe Tomomichi, Iwasaki Hōken, Ōshima Hikozaburō, Sakabe Daisaku, Itami Shichizaemon, Nakamura Hansuke (Ryōi Shintō-ryū), Tatsuko Nobushige , Kōno Ichini, Jogawa Kijūrō, Chiba Yukitane, Imamura Shimifu.
    • Dritte Reihe von rechts: Aida Sadajirō, Nagasawa Tadaya, Yabe Tsunenori, Mutō Hideshige, Sasaki Masayoshi , Yamamoto Kinsaku, Imai Yukitarō, Nomura Kinosuke, Kanematsu Naokado, Matsui Momotarō, Kajikawa Yoshimasa (Ono-ha Ittō-ryū).
    • Hintere Reihe von rechts: Negishi Shingorō, Mori Kōzō, Nakamura Senjirō, Shibata Emori, Kōchi Entarō, Tokunō Sekishirō (1842-1908, Shinshinkage-ryū), Henmi Sōsuke (1843-94, Tatsumi-ryū, später auch Hokushin Ittō-ryū and Kyōshin Meichi-ryū), Ōta Sugenao, Samura Masaaki, Natsumi Matanoshin, Sakita Mikan.

Die festgelegten Kata

Für den Gebrauch durch die Kaiserliche Polizei wurden vier Kategorien festgelegt, nämlich Kidachi, Jūjutsu, Hayanawa, and Tachi-iai. Von Letzterem sollen im Folgenden die dazugehörige Kata und Herkunftsstile gegeben werden.

Tachi-iai

Tachi-iai bezeichnet eine Kompilation von fünf Fechtstücken, bei denen im Gehen das Schwert mit einer Technik gezogen und dann weitere Folgetechniken ausgeführt werden. Dies wurde auch Battōjutsu genannt. Diese fünf Fechtstücke wurden wie oben erwähnt beschrieben erstmals 1886 öffentlich aufgeführt. Bei der Kompilation wurden aus fünf verschiedenen Fechtschulen jeweils ein Fechtstück ausgewählt:

Nr. Kata Fechtschule Anmerkung
1 Mae-goshi Asayama-ryū nach Shōmen
2 Musō-gaeshi Shindō Munen-ryū von Shōmen nach hinten
3 Mawari-gakari Tamiya-ryū nach Shōmen, links
4 Migi no Teki Kyōshin Meichi-ryū nach Shōmen, rechts
5 Shihō Tatsumi-ryū nach Shōmen, hinten, links, rechts

Diese fünf Tachi-iai wurden im Hauptstadt-Polizeipräsidium nicht überliefert, sondern erwiesen sich wahrscheinlich nicht allzulange nach 1886 bereist relativ obsolet für den Polizeidienst. Allerdings wurde 1969 das Keichichō Iai Dōkōkai gegründet, ein Club um den damaligen Direktor der Kriminalabteilung des Hauptstadt-Polizeipräsidiums, Tsuchida Kuniyasu (1922-1999). Seit 2012 findet einmal wöchentlich vormittags im Honbu Dōjō des Hauptstadt-Polizeipräsidiums ein Training statt. Dieses wurde von Angestellten und Ehemaligen des Hauptstadt-Polizeipräsidiums organisiert, sowie von außerhalb dieser Institution stehenden Personen.

Diese fünf Tachi-iai des Keishichō-ryū sind in Namen, Reihenfolge und Inhalt identisch mit den fünf Fechtstücken des Mugai-ryū. Sie sind die fünf Kata der Kategorie „Hashiri-kakari“, d.h. Laufangriffe. Und dies ist deren Herkunft.

Hamamoto Hisao Sensei

Hamamoto Hisao Sensei, Okinawa Kenritsu Budokan 2011

Empfohlene Zitierweise: Quast, Andreas: Hachiman-ryū Tsūshin 八幡流通信. Ausgabe 1. Über die Herkunft der Hashiri-kakari im Mugai-ryū 無外流における「走り懸り」の起源について。Düsseldorf, Februar 2014. Online: http://ryukyu-bugei.com/?p=2137

© 2015, Andreas Quast. All rights reserved.

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